Kontemplation
Was ist Kontemplation?
Kontemplation ist eine Form der gegenstandslosen Meditation.
Sie ist als christliche Gebetsübung so alt wie das Christentum. Über die Wüstenväter bis ins Mittelalter und die frühe Neuzeit war sie weithin in Gebrauch. Im Zeitalter der Glaubensspaltung im Gefolge der Reformation trat die gegenseitige Abgrenzung und die weltanschauliche Ausrichtung stark in den Vordergrund, mystische Gebetswege wurden mehr und mehr beargwöhnt. Im Gefolge des Rationalismus der Aufklärung wurden Wege des Schweigens immer mehr als Obskurantismus und Nebelwerferei lächerlich gemacht.
Dieser Niedergang hat dazu geführt, dass viele Menschen in fernöstlichen Traditionen wie dem Zen und Vipassana des Buddhismus, den Yoga-Wegen der hinduistischen Religionen oder den Sufi-Wegen des Islam dasjenige suchen, was sie in ihrer christlichen Religion schmerzlich vermissen.
Seit dem frühen 20. Jahrhundert begann man an vielen Stellen, die alten westlichen Traditionen wieder zu entdecken.
Für meinen Weg sind insbesondere Meister Eckhart (1260-1327), die „Wolke des Nichtwissens“ (eine anonyme englische Schrift aus dem 14. Jahrhundert) und Teresa von Avila (1515-1582) richtungsweisend. Deren Lehren wurden mir besonders durch meinen Lehrer Dr. Dr. Peter Lipsett, Frankfurt, vermittelt. (siehe unter „Links“)
Wie soll man sitzen?
„Man wird nicht durch die Beine erleuchtet“, soll Karlfried Graf Dürckheim einem Schüler gesagt haben, der mit dem Lotussitz kämpfte.
Es gibt nicht die Sitzposition. Dennoch gibt es Gründe, warum bestimmte Sitzpositionen wie der Lotus, der Burmesische Sitz und andere sich in den alten Traditionen durchgesetzt haben. Sie haben den Vorteil, dass wenig Spannung im Rücken aufgebaut wird und der Körper nicht mehr ablenkt.
Für Ungeübte ist es sinnlos, sich in eine bestimmte „richtige“ Sitzposition zu zwingen.
Wichtig sind ein paar Grundsätze:
Angelehntes Sitzen hat den Nachteil, dass mit dem Körper auch die Aufmerksamkeit erschlafft. Wer nur so sitzen kann muss entsprechend wach gegenarbeiten.
Wenn die Hüften höher sind als die Knie, sitzt man richtig.
Der Atem soll frei fließen können, ohne dass man sich anstrengt, besonders „tief“ zu atmen.
Insbesondere wer auf dem Boden im Lotus, halben Lotus oder im Schneidersitz sitzt, sollte darauf achten, dass die Knie nicht hochstehen, sondern aufliegen (ggf. kann man auch Polster unterlegen). Andernfalls entsteht sehr viel Spannung im Kniegelenk, die auf Dauer zu Problemen führen kann.
Für Anfänger ist ein Meditationsbänkchen oder ein höheres Kissen (im burmesischen Sitz) meist die erste Wahl.
Auch auf einem Stuhl kann man üben.
Immer gilt: Sitze so, dass Du Dich während der Übung möglichst wenig mit der Sitzposition oder auftretenden Spannungen beschäftigen musst. Dann kannst du Dich gut auf die Übung konzentrieren.
Das Ich zurücknehmen
… ist der wichtigste Teil des Weges. Diese Übung kennen wir (hoffentlich) alle aus dem Alltag: wenn wir jemandem zuhören, dann gelingt das nur, wenn wir unsere Meinungen, Einschätzungen, Ratschläge, womöglich Besserwissereien so lange zurücknehmen, bis wir wirklich gehört haben, was der Andere sagen will. Auch unsere eigene Befindlichkeit kann dem Zuhören hinderlich sein.
In der Kontemplation sieht das so aus, dass wir still sitzen und uns zunächst auf den Atem konzentrieren. Gedanken steigen zwangsläufig auf. Wir schauen den Gedanken zu, ohne „auf das Pferd aufzusteigen, das vorbei kommt“, d. h., ohne den Gedanken nachzuhängen, nachzudenken, zu Einsichten oder Erkenntnissen gelangen zu wollen. Jeder Gedankenimpuls, der kommt, vergeht auch wieder. Wenn wir merken, dass wir uns von den Gedanken haben davontragen lassen, kehren wir liebevoll zu unserer Übung der reinen Präsenz zurück. Liebevoll heißt: ohne mit uns ins Gericht zu gehen weil wir „schon wieder“ uns haben ablenken lassen.
Es geht ausdrücklich nicht darum, die Gedanken abzustellen oder zu unterdrücken. Das ist beinahe unmöglich. Und wenn es doch gelingt, dann führt das eher in eine Starre: ich habe dann „etwas erreicht“. Aber der Weg besteht darin, mit höchster Konzentration „nichts zu erreichen“.
Dabei geschieht es schließlich, dass unser alltägliches Ich „stirbt“, d. h. plötzlich sieht, dass es nur eine Struktur ist, die sich in unserem Geist irgendwann einmal aufgebaut hat (als wir als Kleinkind „Ich“ sagen lernten). Diese Relativierung des Ich ist wie ein Schock und wird erlebt wie ein Sterben. Dabei handelt es sich aber nicht um einen Zusammenbruch der Ich-Kräfte (das würde in eine Psychose führen), sondern um die Erkenntnis, dass unser Wahres Selbst etwas ganz anderes ist als die Illusion des „kleinen Ego“.
Die Einheit von allem
Kontemplation führt zu der Einsicht, dass es nicht hier ein „Ich“ gibt und „dort“ einen Gott, der wie ein Gegenstand in der Welt vorhanden ist.
„Hier“ und „Dort“ werden gegenstandslos, und wir erkennen, dass wir immer schon eins mit Gott sind. Denn es gibt nichts, das nicht in Gott wäre.